Veröffentlicht am 4. April 2023
Den Turnunterricht in Schulen fördern und seinen Mitgliedern methodische und didaktische Hilfestellung für den Schul-Sportalltag geben: Mit dieser Zielsetzung in der Satzung gründeten 16 Männer am 4. April 1883 in der Gaststätte „Kleins Garten“ in der Heckinghauser Str. 27 den Barmer Lehrerturnverein (BLTV) 1883 e.V. Einer der ältesten Sportvereine Wuppertals feierte daher 2023 sein 140-jähriges Bestehen.
Zur Geschichte des BLTV gab es 2013 eine Rede zum Vereinsjubiläum, deren Inhalt bis heute noch aktuell ist:
Um die Geschichte des BLTV zu verstehen, müssen wir gedanklich länger als 130Jahre in die Vergangenheit blicken. Wir gehen zurück in das Jahr 1807, in dem der sicherlich allen bekannte Turnvater Jahn die Turnbewegung gründete.
Sein Bewegründe dafür waren nicht idealistisch, wie man vielleicht denken könnte, nein, sie waren deutschnational geprägt. Infolge der Besetzung Deutschlands/Europas durch Napoleon wurde das Turnen als eine Schule zur patriotischen Erziehung der Jugend zur Vorbereitung auf einen Befreiungskrieg verstanden. Dieser fand dann ja auch 1813 in der Völkerschlacht von Leipzig statt und auch gewonnen. Allerdings war das Ergebnis keine deutsche Nation, wie von Jahn angestrebt, sondern weiterhin eine Vielzahl von Kleinstaaten, die das Ziel Jahns und seiner Turner, die Schaffung einer deutschen Nation, nicht für gut befanden. Da Jahn aber nicht von seinem Ziel abließ, wurde in den meisten dieser Staaten ein sogenanntes Turnverbot erlassen, das von 1820-1842 währte. Jahre, die wir bei der Rückbetrachtung schon mal außen vor lassen können..
Wir gehen weiter in das Jahr der deutschen Revolution 1848. An dieser waren natürlich auch die Turner beteiligt (6Jahre reichten zur Revitalisierung der Bewegung aus; Turner waren eben körperlich geübt, diszipliniert und politisch bewusst). ln diesem Jahr begann die Gründer- und Blütezeit der deutschen Turnvereine. Der erste Deutsche Turntag fand 1848 in Hanau statt. Beim Turnfest in Leipzig 1863 turnten bereits 20.000 Menschen; es gab 1700 Turnvereine mit 170.000 Mitgliedern. Heute hat der DTB 19.500 Vereine mit 5 Millionen Mitgliedern.
Und was passierte in Barmen.
1846 wurde hier der Barmer Turnverein gegründet. Dieser engagierte 1875 den Sportlehrer Karl Schröter, der von 1875-1890 Sportlehrer an der Sedanstr. war. Ob unser Karl Schröter damals nicht ausgelastet war oder im BTV nicht alle seine Turn-Ideen verwirklichen konnte weiß ich nicht. Jedenfalls gründete er, als berufsgeschlossene Turngemeinschaft, 1883 den Barmer Lehrerturnverein.
Betrachtet man einmal eine Turnriege aus der damaligen Zeit, so sieht man folgende Charakteristiken dieser Gruppe:
Sie treten diszipliniert in Riegen auf. Auf Kommando schwingen sie ans Gerät. Die Hände an die Hosennaht, die Brust raus, Kopf hoch und mit zusammengeklappten Hacken, so beenden sie ihre Übung. Im Gleichschritt marschieren sie zum nächsten Gerät.
Doch kurz vor der Jahrhundertwende kamen dann plötzlich alarmierende Informationen von einer Insel nördlich von Deutschland (also von Großbritannien)
Männer, die vom Kanal kamen, wussten den staunenden Fremden zu erzählen, dass die Leute über dem Kanal, so vernünftig sie sonst auch seien, doch recht kindlichen Vergnügungen huldigen. So unterhalten sich junge Leute, einen Lederball auf einer Wiese herumzustoßen…und dieser Wahnsinn locke Zuschauer in jeder Menge herbei…
Was war geschehen:
Die sogenannte englische Krankheit war ausgebrochen, man nannte sie auch „Fußlümmelei“.
Überspringen wir jetzt einfach mal die Jahre in denen es dem BLTV gelang, diese Krankheit abzuwehren, aber, irgendwann erwischte dieser Virus auch den BLTV.
Auch im guten Barmer Lehrerturnverein wurde immer mehr gefußlümmelt. Die bei Turnern übliche Disziplin aufrechtzuerhalten wurde immer schwieriger, wie unser technischer Leiter sicherlich im Detail berichten könnte: Sportler treffen unentschuldigt und verspätet zu den Übungsstunden ein, ,,pölen“ wild drauf los, ohne vorausgehende Dehn- und Streckübungen, melden sich zum Sport weder an noch ab, u.s.w..
Festzuhalten bleibt allerdings:
Was da beim BLTV Woche für Woche auch nach 130Jahren Vereinsleben unter dem Eindruck der englischen Krankheit abläuft und nun als Fußballspielen bezeichnet wird, macht Alt und Jung einen Riesenspaß.
Abschließend noch zwei Zitate aus den aus dem Jahr 1816 stammenden Turngesetzen von Eisele/Jahn :
Kein Turner soll einigen Unwillen, Fehd und Feindschaft, so er mit einem und dem anderen Turner hat, während der Turnzeit und auf dem Turnfeld äußern.‘ sondern jeder soll bloß turnen in Friede, Freude und Freundschaft.
Es soll auch keines Hasses oder Grolles auf dem Turnfelde gedacht werden,‘ und eben so wenig auf dem Hingang und Heimgang, auch auf keinen Turnfahrten
Das sind auch heute noch die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ für unser wöchentliches Fußballspiel.
(Franz-Josef Paulukat)